© Mennonite World Conference 2022
Die Mennoniten
Wer sind die Mennoniten heute ?
LIEBE-VOLL
Mennoniten bekennen die Liebe Gottes zur gesamten Schöpfung, wie sie in Gottes Sohn, Jesus Christus, offenbart ist. Diese Liebe stiftet Gemeinschaft untereinander – aber das ist kein Selbstzweck. Sie will ihren Ausdruck finden in der Gestaltung unserer Beziehungen auch zu anderen – anderen Christ:innen, anders Glaubenden oder auch nicht Glaubenden, sowie zur gesamten Mitwelt. In unserem Gebet, in unseren Gottesdiensten, in der Feier des Abendmahls („Liebesmahl“) und konkret mit unseren Taten der Nächstenliebe erinnern wir an diese von Gott geschenkte Liebe.
GEIST-REICH
Mennoniten feiern die kreative Kraft des Heiligen Geistes – neben Gott, der Schöpferkraft und Christus, der Liebe Gottes – in Gottesdiensten wie im Alltag. Als Heiliger Geist wirkt Gott in allem und durch alle. Es ist diese Geisteskraft, die uns befähigt, an Gott zu glauben und unser Leben so zu gestalten, dass wir Jesus immer ähnlicher werden. Daher können auch alle die verschiedenen Dienste in der Gemeinde übernehmen. In der Taufe bekennen wir uns zu Christus, der uns seinen Geist schenkt, danken ihm für diese Gnade und antworten ihm mit einem Lebensstil, der sich an seinem Vorbild orientiert.
TAT-KRÄFTIG
Mennoniten ist die Gestaltung eines Lebens in gerechten Beziehungen (Ethik) mindestens genauso wichtig wie die Formulierung von Bekenntnissen (Lehre). Jede Orts-Gemeinschaft soll hierzu eine größtmögliche Eigenständigkeit behalten. Das führt zu einer bunten Vielfalt von Frömmigkeiten und kontextuellen Engagements, die dennoch vernetzt bleibt und füreinander Verantwortung trägt, größere Aufgaben gemeinsam angeht und sich als weltweite, multikulturelle Gemeinschaft begreift.
GEWALT-FREI
Mennoniten erkennen im Leben Jesu einen gewaltfreien Weg. Weil Jesus die Ungerechtigkeiten der Welt aufdeckte und vor allem Benachteiligten das neue Reich Gottes versprach, wurde er am Kreuz getötet. Jesus nahm Spott, Schmerz, Einsamkeit und Tod auf sich, und empfing drei Tage später ein neues Leben. Dadurch relativierte er alle irdischen Mächte und zeigte, dass die Liebe Gottes selbst den Tod überwinden kann. Jesu Auferstehung befreit auch uns zu einer gewaltfreien Lebensgestaltung, mit Anderen und gegenüber der Mitwelt, stets nach Versöhnung suchend. Die deutliche Trennung von Kirche und Staatsregierung hilft, diese Lebenshaltung in allen Bereichen des Lebens zu verwirklichen.
Wer waren die Täufer:innen und Mennoniten im 16. Jahrhundert ?
Eine Erneuerungsbewegung
Die Mennoniten gehen zurück auf die Täuferbewegung im frühen 16. Jahrhundert, die Teil der Reformation war. Ebenso wie alle anderen Reformatoren, etwa Martin Luther oder Ulrich Zwingli, traten die Täufer und Täuferinnen mit ihren Ideen zur Reform von Kirche und Gesellschaft an die Öffentlichkeit. Sie kritisierten insbesondere die enge Bindung der übrigen Reformatoren an die Staatsgewalt und setzten sich für radikalere Reformen ein.
Unabhängige Gemeinschaft
Die Täuferbewegung organisierte sich unabhängig von den obrigkeitlichen Reformationen. Durch das gemeinsame Lesen und Studieren der Bibel hatten die Täufer:innen erkannt, dass nur mündige Menschen freiwillig und aufgrund ihres persönlichen Bekenntnisses getauft werden sollten. Am 21. Januar 1525 fand in einem Privathaus in Zürich die erste täuferische Glaubenstaufe statt. Damit wurde ein jahrhundertealtes Rechtssystem infrage gestellt, denn mit jeder Säuglingstaufe wurde die Getauften auch in das politische Gemeinwesen eingefügt.
Verfolgte Untergrundkirche
Die neue täuferische Bewegung gewann rasch Anhänger:innen. Wesentliche Protagonisten waren Balthasar Hubmaier (1480/85-1528), Melchior Hoffmann (1500-1543), Michael Sattler (1490-1527), Jakob Hutter (ca. 1500-1536), Pilgram Marpeck (1495-1556) und Menno Simons (1496-1561). Sehr schnell setzte jedoch die Verfolgung der „Taufgesinnten“ ein, da insbesondere ihre ethisch ausgerichteten Artikel – die Verweigerung des Waffendienstes, die Weigerung, Eide zu leisten sowie die Auffassung, dass christliche Gemeinden vom „Staat“ unabhängig sein sollten – als „Rebellion“ und „Aufruhr“ angesehen wurden. Als diffamierender, von außen an die neuen Gemeinden herangetragener Name etablierte sich der Begriff „Wiedertäufer“. Auf dem Reichstag von Speyer wurde 1529 das Verbot der „Wiedertaufe“ bekräftigt und mit der Todesstrafe belegt. Dies bedeutete Folter, Gefängnis und Tod für viele Täufer:innen. In einigen Territorien wurden Taufgesinnte schlicht der Stadt verwiesen oder aus dem Land gejagt.
Menno Simons (1496-1561)
Menno Simons, ein ehemaliger Priester aus Friesland, schloss sich 1536 den Taufgesinnten an und wurde schon bald darauf zu einem ihrer Leiter. Er organisierte Versammlungen, die aufgrund der Verfolgung meist an geheimen Orten zusammenkommen mussten, aber in ganz Mitteleuropa vernetzt waren. Später wurde Menno Simons zum Namensgeber der Mennoniten. Um der Verfolgung zu entgehen, nannten sich die Taufgesinnten „Mennisten“ oder „Mennoniten“, und wurden auch von den Landesfürst:innen, die ihnen Schutz gaben, so bezeichnet.
Gewaltfreiheit, Gemeinschaft, Integrität
Menno Simons prägte die mennonitische Tradition vor allem in drei Punkten mit:
- Gewaltfreiheit: Menno wandte sich gegen jede Art von kriegerischer Gewalt.
- Authentische Gemeinschaft: Menno vertrat eine moralische Reinheit der Gemeinde, die auch einengend wirken konnte. Doch sein Anspruch, dass die Gemeinschaft der Christen einander zugewandt und verantwortlich füreinander leben solle, bleibt bis heute bestehen.
- Einheit von Wort und Tat: Menno Simons forderte einen Glauben, der im Alltag konkret wird und sich im Handeln zeigt. Die Gnade Gottes war für ihn eine lebendige Kraft, die nicht nur inneren Frieden gibt, sondern auch Taten der Nächstenliebe und sogar der Feindesliebe ermöglicht.
Kirche des Friedens werden
Heute werden die Mennoniten als „Historische Friedenskirche“ bezeichnet, weil sie seit ihren Anfängen Krieg und Gewalt ablehnten. Dieser Begriff ist allerdings erst seit dem frühen 20. Jahrhundert gebräuchlich. Dabei darf nicht verschwiegen werden, dass auch Mennoniten Brüche in ihrer Geschichte als Friedenskirche haben. Insbesondere zur Zeit des Nationalsozialismus folgten viele unkritisch den zerstörerischen Ideologien und leisteten keinen Widerstand gegenüber unmenschlichen Strukturen.
Wir verstehen die Bezeichnung „Historische Friedenskirche“ als Einladung, einen Weg weiterzugehen, der mit Jesus begann und von den Täufer:innen neu entdeckt wurde – und erkennen Umwege, Stolpersteine und Verfehlungen in unserer eigenen Geschichte. Mennoniten geht es um die „Gute Nachricht“ (Evangelium) vom Frieden Gottes für alle Menschen und die gesamte Schöpfung. Es bleibt eine beständige Aufgabe, dem Frieden nachzustreben im persönlichen Alltag ebenso wie in Gemeinschaften, in gesellschaftlichen Herausforderungen ebenso wie in internationalen Krisen. Dabei werden wir getragen vom Gott des Friedens, der die Welt in Jesus Christus versöhnt hat, und mit seinem Geist liebevoll, geistreich, tatkräftig und gewaltfrei in der ganzen Schöpfung wirkt.