Hoffnungszeichen in Krisenzeiten – Friedenszeichen in Kriegszeiten

An zwei Abenden im April und Mai fand in Hamburg wieder das mennoFORUM statt

Hoffen auf den Olivenzweig

Ein lyrisch musikalischer Abend am 26. April mit Dr. Viola Raheb & Marwan Abado

Ein Abend für die Sinne. Ein Abend, an dem Palästina in seiner Fülle aufgenommen werden konnte. Gerochen haben wir Palästina zuerst. Als wir das Foyer der Mennonitenkirche in Altona betraten, konnten wir das palästinensische Essen bereits riechen, bevor wir es dann auch schmecken konnten. Gemeinsam konnten wir dann, bevor es losging, ankommen, reden, schmecken und uns auf den Abend einstellen.
Sichtbar in der Mitte, vor der Kanzel, auf dem Tisch zwischen den Vortragenden, ein Olivenzweig. Also zu sehen bekamen wir einen Teil Palästinas direkt hier in Hamburg.

Aber vor allem zu hören gab es viel. Der wunderbare Klang der Oud, gespielt von Marwan Abado, hat mit seinem Gesang und demnseiner Frau Dr. Viola Raheb perfekt die vorgetragenen Passagen aus verschiedenen palästinensischen Texten untermauert. Zusammen haben die beiden durch Wort und Musik ein Bild von Palästina innerhalb der derzeitigen Zerstörung aufgemacht, welches größer ist als das Leid und der Schmerz, dies aber auch nicht ignorierte.

An diesem Abend gab es keine Diskussion, keine Bilder von Gewalt, sondern Texte aus unterschiedlichen Epochen von verschiedenen palästinensischen Schriftsteller:innen. „Ich bin von dort.“ Ein Zitat aus einem der vorgetragenen Texte. Denn beide, Viola Raheb und Marwan Abado stammen aus Palästina. Beide sind aufgewachsen mit „dem Norden im Rücken.“

Dieser 1 ½-stündige Einblick in andere Perspektiven hat uns alle berührt. Hier kommt der Tastsinn. Denn „Friede ist Gartenarbeit“. Er braucht Zeit, er braucht Wissen, er braucht Personen, die sich darum kümmern, immer wieder aufs Neue. Viola Raheb und Marwan Abado sind zwei solcher Gartenarbeiter:innen. „Wir ziehen die Hoffnung groß.“ Sie haben es geschafft, mit Klang und Wort ein buntes Bild zu schaffen, ein Bild von Palästina, das mehr als nur schwarz und weiß, gut und böse, richtig und falsch ist.

Und wir durften zuhören, den Geschichten, die erzählt wurden, den Klängen, die geschaffen wurden. „Friede sei dem, der mit mir die Achtsamkeit teilt.“
Und das, was wir an diesem Abend aufgenommen haben, können wir nun weiterreichen. Aus diesem Abend gingen wir alle mit einem Gefühl der gegenseitigen Bestärkung. Eine Stärkung, die nicht nur leiblicher Art war, sondern unsere Sinne weiter ausgeprägt hat, uns gegenseitig Kraft gegeben hat weiterzumachen, hinzuhören, hinzuschauen, anzufassen.
„Friede dem, der mit mir die Achtsamkeit teilt. […] Friede meinem Schmerz. […] Friede hat anzuerkennen, was geschah. […] Friede ist Gartenarbeit. […] Ein anderer Tag wird kommen.“

Standhaftigkeit

Der zweite Abend am 31. Mai stand unter dem Wort ṣumūd (arabisch). Dieses Wort bedeutet Standhaftigkeit. Drei Workshops gab es: einen zur Friedensbewegung in Belarus in Zeiten des Krieges in der Ukraine, einen zum Zelt der Völker – gestaltet von Dr. Natallia Vasilevich; ein palästinensisches Landgut unter dem Druck der israelischen Expansion – gestaltet von Dr. Jakob Fehr; und ein Workshop zum „Ecumenical Accompaniment Program in Palestine and Israel“ des Ökumenischen Rates der Kirchen – gestaltet von Reinhard Kober.

Teilnehmen konnte man an zwei der drei Workshops. Am liebsten hätte man sich aber alle drei angehört und bei allen dreien noch mehr Zeit zum intensiven Austausch gehabt.

Von zwei dieser Workshops soll nun berichtet werden. „Es ist nicht so, dass das Land uns gehört, sondern wie gehören diesem Land.“ Das ist das, was die Familie Nassar sich und anderen immer wieder in Erinnerung ruft. Seit Generationen wohnen sie auf demselben Berg, bewirtschaften das Land und versorgen sich und andere mit dem Ertrag des Landes. Und seit Jahrzehnten müssen sie ihr Recht auf das Land verteidigen, müssen mit ihren Besitzurkunden vor Gericht ziehen, müssen gewappnet sein dafür, dass ihre Plantagen zerstört werden, Olivenbäume gefällt, Obstbäume herausgerissen werden und alles neu aufgebaut werden muss. Denn das Land soll weggenommen werden, um eine Siedlung zu bauen.
Doch anstatt sich von den immer wiederkehrenden Repressionen klein machen zu lassen, bleibt die Familie standhaft. Mehr sogar, nutzt diesen Ort, um ein Zentrum der Begegnung aufzubauen. Sie laden Freiwillige ein, dort zu arbeiten, sie zu unterstützen, bieten Workshops an, Zusammenkünfte für Politiker:innen bauen neben Oliven und Obstbäumen auch Bäume der Nachbarschaft und Verständigung an.
Der zweite Workshop, an dem ich teilgenommen habe, beschäftigte sich ebenfalls mit dem Engagement von Freiwilligen in Palästina. Denn wie man schon im „Zelt der Völker“ gehört hat, haben internationale Beobachter:innen eine wichtige Rolle in dieser Region. Sie werden anders behandelt als die Palästinenser:innen und haben vor allem die wichtige Aufgabe ihre Erfahrungen zu teilen und weiterzugeben. Dies ist das, worauf sich die Helfer:innen spezialisiert haben. Natürlich gibt es auch viele Friedensorganisationen in Israel und Palästina, aber als internationale Beobachter:in hat man eine andere Stellung.

Viel Vermittlungsarbeit wird hier geleistet, bei Grenzübergängen, bei der Begleitung von Kindern zur Schule, vorbei an einer israelischen Siedlung, zurück in Deutschland in Gesprächen mit Politiker:innen.
Und manchmal ist man einfach da, um der Frustration ein offenes Ohr zu schenken. Wenn eben doch wieder unterdrückt wird. Wenn man auch mit Vermittlung nicht weiterkommt. Dann ist man dort, bleibt standhaft, gibt nicht auf und hofft auf einen nachhaltigen Frieden.

Und genau das können wir auch tun. Offene Ohren haben, für das Leid, Informationen weitertragen und standhaft bleiben. ṣumūd.

Rebecca Goy
Studentin an der Arbeitsstelle Theologie der Friedenskirchen, Universität Hamburg

aus: DIE BRÜCKE 5/2024