21.01.2025
Ein Wort der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland zum Gedenken an 500 Jahre Täuferbewegung
500 Jahre – Erfahrungen eines langen Weges
2025 jährt sich die erste täuferische Glaubenstaufe zum 500. Mal. Am 21. Januar 1525 setzten Gläubige in Zürich mit der Taufe auf den Glauben ein sichtbares Zeichen, dass sie für die Reformen von Kirche und Gesellschaft noch einen anderen Weg sahen als die anderen Reformatoren, etwa ein Martin Luther oder Ulrich Zwingli. Die Täufer waren davon überzeugt, dass nur die Taufe mündiger Menschen eine verantwortungsvolle und verbindliche Gemeinschaft stiftet. Zudem vertraten sie die Auffassung, dass Menschen umfassend in der Gemeinde partizipieren und zum eigenen Denken herausgefordert werden müssen und dass christliches Leben nur gewaltfrei geführt werden kann.
2025 erinnern Christen und Christinnen aus täuferischen Gemeinden – gemeinsam mit Geschwistern anderer Kirchen – jedoch nicht nur an die erste täuferische Glaubenstaufe, sondern im Besonderen auch an einen 500jährigen Weg, der zur Gründung und Konsolidierung vieler Gemeinden geführt hat. Aus den Anfängen in Zürich, aber auch in anderen Regionen Europas, ist eine globale Bewegung entstanden, die von einem Gemeinschaftsgefühl in Vielfalt geprägt ist. Heutzutage versammeln sich unter dem Dach der Mennonitischen Weltkonferenz 1,45 Millionen getaufte Mitglieder in 10.180 Gemeinden in 61 Ländern.
Für die ersten täuferischen Christen und Christinnen bedeutete ihr Glauben, sich auf einen Weg einzulassen, der durch Nonkonformismus und ein Leben abseits der Mehrheitsgesellschaft gekennzeichnet war. Viele Täuferinnen und Täufer waren bereit, diesen Weg zu gehen, der im 16. Jahrhundert Verfolgung, Vertreibung und Tod bedeutete. Als die Verfolgung nachließ und die Rahmenbedingungen sich änderten, ergaben sich durch die Integration in die Gesellschaft neue Herausforderungen.
500 Jahre Täuferbewegung zeigen jedoch auch Ambivalenzen und Brüche. Das exklusive Selbstverständnis der Täufer führte oftmals zu Arroganz und selbstgewählter Absonderung. Dabei wurde der eigene Weg idealisiert und die aktuellen Normen des eigenen Glaubens traditionalisierend festgeschrieben und somit verabsolutiert, was zu Ausgrenzung und zur Erstarrung des Gemeindelebens führen konnte. Die Geschichte der Täufer verdeutlicht auch die Herausforderung, unter gesellschaftspolitischem Druck als Minderheit zu den eigenen Glaubensüberzeugungen zu stehen. So haben in der Zeit des Nationalsozialismus die Mennoniten in Deutschland ihr Zeugnis der Gewaltfreiheit nicht hoch gehalten. Die Aufarbeitung hat vor einigen Jahren begonnen.
Die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland ist seit 2020 an der fünfjährigen Aktion „gewagt! 500 Jahre Täuferbewegung“ beteiligt; in ökumenischer Gemeinschaft mit all jenen, die sich dem Erbe der Täuferbewegung verbunden fühlten.
500 Jahre – Was bleibt?
Mündigkeit und Gewaltfreiheit
Die 500jährige Geschichte der täuferischen Gemeinden zeigt, wie eine zunächst ausgegrenzte Minderheit zur gesellschaftlichen Entwicklung beigetragen hat. Täuferische Prämissen wie Gewissensfreiheit, Tolerierung Andersdenkender und die Förderung der Mündigkeit der Menschen setzten sich durch die Veränderungen der politischen Ideen ab dem 17. Jahrhundert in Europa immer häufiger durch. In ihrer Minderheitenposition waren die Täuferinnen und Täufer eine nonkonforme und damit auch unbequeme Stimme, die jedoch gleichzeitig ein nötiges Korrektiv bot für die Mehrheitsgesellschaft. Dies bleibt bis heute so, wenn aus täuferischem Munde der Ruf nach Gewaltfreiheit, gerechter Friedensstiftung und versöhnendem Handeln in Politik, Gesellschaft und Religion in die Öffentlichkeit getragen wird. Mennoniten sind in viele Prozesse der Konfliktaufarbeiten und der Versöhnungsarbeit involviert, beispielsweise in Kolumbien.
Gemeinschaft und Vielfalt
Die Geschichte der Täufer fordert heraus, sich damit auseinanderzusetzen, wie Menschen miteinander umgehen. Welche Voraussetzungen braucht es, damit wir uns gemeinsam auf den Weg machen können, um nach Lösungen zu suchen? Wie werden „Andere“ integriert? Wie reagieren wir auf Uneindeutigkeiten und Situationen, die sich schwierig gestalten? Und welche Relevanz hat der christliche Beitrag? Die Geschichte zeigt, dass es nie einfache Antworten auf diese Herausforderungen gab. 500 Jahre Täuferbewegung waren gekennzeichnet durch Aufbrüche und Konsolidierungen sowie durch neuerliche Brüche und Neuanfänge. Dabei zeichnete sich täuferisches Leben durch Vielfalt aus, bis heute. Vielfalt zu leben ist eine Herausforderung, gilt es doch stets, die Balance zwischen den Grundsätzen des Glaubens und der nötigen Offenheit zu finden.
Reflexion und Erneuerung
500 Jahre Täuferbewegung verdeutlichen auch die dauerhafte Aufgabe, stets aufs Neue gemeinsam zu bestimmen, was es in der jeweiligen Zeit heißt, Christsein nach den Zeugnissen der Bibel – in der Tradition täuferisch-mennonitischen Prämissen – zu leben. Immer wieder war die Bereitschaft gefordert, sich selbst zu hinterfragen und neue Wege zu gehen, an den Grundsätzen des Glaubens aber festzuhalten. Oftmals waren es die Neugierde und die Offenheit, mit anderen christlichen Traditionen in Kontakt zu treten, die täuferischen Gemeinden wesentliche Impulse für ein lebendiges und erneuertes Leben lieferten. Diese Offenheit bei gleichzeitiger Verwurzelung in den Erfahrungen einer 500jährigen Geschichte helfen, voller Hoffnung in die Zukunft zu blicken.